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Donnerstag, 14. Juli 2016

01x02 Michael

Gedankenverloren starrte sie gegen die Wand des Krankenwagens, während sie auf dem Weg zum nächstgelegenen Krankenhaus waren. Angel hatte wirklich keine Lust auf den Besuch dort, aber sie wusste auch, dass sie nicht wirklich eine Chance hatte zu rebellieren. Also musste sie sich dem Willen der Sanitäter beugen.
Immer wieder hatte der junge Mann, der sie mit sich mitgeschleppt hatte, versucht mit ihr ein Gespräch zu beginnen, doch sie hatte ihn geflissentlich ignoriert. Angel hatte nicht wirklich Lust mit ihm Smalltalk zu führen, vor allem nachdem sie ja eigentlich gar nicht mit ihm mitkommen wollte und er sie im Grunde dazu genötigt hatte.
»Das war echt tapfer, was du für deine Freundin gemacht hast«, plapperte der Sanitäter weiter drauf los. Scheinbar hatte er nicht wirklich gemerkt, dass sie mit ihm nicht reden wollte. Fein, dachte Angel, sollte er doch weiterreden. War ihr eigentlich auch egal. Sie starrte nur weiter gegen die Wand.
»Du hast es nicht so mit reden oder?«, fragte der junge Mann nun und betrachtete das Mädchen durchdringend.
»Nicht, wenn ich gegen meinen Willen weggebracht werde. Ist das nicht strafbar?«
»In dem Fall nicht wirklich. Nein. Schlechte Erfahrungen mit dem Krankenhaus gemacht?«, fragte der Sanitäter nun.
»Nein. Eigentlich nicht. Aber schlechte Sachen gehört«, meinte sie nur und auf den fragenden Blick hin, fuhr sie fort: »Ich hab gehört, dass in letzter Zeit recht viele Kriminelles passiert. Liegt wahrscheinlich daran, dass jeder Kriminelle, wenn ihm was passiert ist, dorthin gebracht wird. Vielleicht sollte man überlegen diese in ein spezielles Krankenhaus für Schwerverbrecher zu bringen.«
»Und wer bezahlt das?«, wollte der Sanitäter amüsiert wissen. »Außerdem habe ich gehört, dass in letzter Zeit in Schule recht viele Raufereien sind, die damit enden, dass ziemlich viele Schüler dann in diese gefährlichen Krankenhäuser eingewiesen werden.«
Touché, schoss es Angel durch den Kopf. Sie sagte darauf jedoch nichts. Vermutlich wusste er auch selbst, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.

Zum Glück war die Fahrt bald zu Ende und sie wurde von ihrem Elend befreit. Dann musste sie nur noch die Untersuchung über sich ergehen lassen, danach konnte sie wieder zurück in die Schule.
Inzwischen war ihr sogar Mathe lieber als das hier. Außerdem hatten sie als nächstes Englisch und das war eigentlich eines ihrer Lieblingsfächer, da wollte sie eigentlich nicht fehlen.
Nachdem der Wagen zum Stillstand gekommen war, öffnete der Sanitäter die Türen und ließ Angel aussteigen. Nachdem sie dieses Mal freiwillig ging, blieb ihr auch die Schulter erspart.
Neugierig sah sie sich um und als ihr Blick auf einen Polizeiwagen fiel, aus dem ein Häftling in Handschellen ausstieg, erstarrte sie. Genau das hatte sie gemeint. In so Krankenhäusern war man doch nicht mehr sicher. Oder?
»Ich weiß, was du denkst, aber der ist in Handschellen. Was sollte da schon passieren?«, meinte der Sanitäter und lief neben Angel her. Eigentlich hatte sie gedacht, dass er sie alleine gehen und sich einer anderen Arbeit widmen würde, aber wie es aussah, begleitete er sie noch bis ins Krankenhaus hinein.
Auch wenn ihr Begleiter Angel versichert hatte, dass ihr keine Gefahr drohte, so ließ sie den Häftling und seinen Begleiter doch nicht aus den Augen. Wie es aussah, war er nicht so gefährlich, wenn ihn nur ein Polizist begleitet und er sah auch tatsächlich so aus, als wäre er harmlos und hätte nicht vor fliehen zu wollen.
Der Polizist, der ihn begleitete, war ein junger, recht gutaussehender Mann, mit dunklen Haaren. Als der Polizist in ihre Richtung sah, trafen sich ihre Blicke. Ihr Herz begann wild zu flattern, noch wilder ging es, als sie sah, was dann geschah.
Nachdem sich der Polizist ganz auf sie konzentrierte und somit keine Augen mehr für den Häftling hatte, witterte dieser die Chance zur Flucht. Eh sich sein Wächter versah, hatte er schon dessen Waffe entwendet und ihm einen Schlag verpasst, der ihn zu Boden gehen ließ. Schnell entwendete er dem am Boden liegenden Beamten noch die Schlüssel für die Handschellen und befreite sich von ihnen. Angel sog hörbar die Luft ein.
»Scheiße«, ertönte es neben ihr, dann wurde sie gepackt und weggezogen, nachdem der Flüchtige nun genau auf sie zu kam. Angel wollte noch etwas sagen, doch sie war so überrascht, über das Geschehene, dass ihr die Worte im Hals stecken blieben. Wie gebannt starrte sie auf den flüchtigen Mann. Plötzlich fiel ihr Blick auf eine ganz andere Szene.
Ein junger Arzt trat aus dem Gebäude, vermutlich um in Erfahrung zu bringen, was diesen Tumult auslöste. Er hatte dunkle, etwas lockige Haare und sah noch recht jung aus. Dem Aussehen nach zu urteilen war er noch recht frisch in dem Job. Er sah jedoch auch richtig heiß aus.
Gerade als der junge Mann nun aus dem Krankenhaus kam, zückte der Häftling die Waffe und zielte auf ihn. Auch wenn er wohl gerade im Begriff war, generell um sich zu schießen, so war Angel klar, dass der Arzt wohl sein erstes Ziel sein würde.
Ohne groß nach zu denken riss sie sich von ihrem Sanitäter frei und stürmte auf den Arzt zu. Sie wusste selbst nicht genau, woher sie diese Schnelligkeit nahm. Schneller als sie gedacht hatte, war sie bei ihm und das war auch dringend notwendig. Denn genau als sie loslief, drückte der Mann ab. Kurz bevor die Kugel ihr Ziel erreichte, warf sie sich auf ihn und stürzte mit ihm zu Boden.
Angel kam auf dem jungen Mann zu liegen. Ihre Blicke trafen sich. Kurzzeitig blendete sie alles aus. Ihr Herz begann wie wild zu pochen, in ihrem Bauch spürte sie ein unnatürliches Kribbeln. Die Zeit schien für sie stillzustehen und für sie gab es in diesem Moment nur noch ihn.
Schüsse, die sie um sich herum wahrnahm, rissen sie aus ihren Gedanken. Menschen schrien und liefen um ihr Leben, während der Flüchtige nun wie wild um sich schoss. In der Ferne hörte sie Martinshörner von herannahenden Polizeiautos.
»Du hast mein Leben gerettet«, war alles, was der Arzt heraus brachte und starrte sie noch immer an.
»Verdammt«, antwortete Angel, zog den jungen Mann hoch und rettete sich mit ihm ins Gebäude, damit sie nicht noch eine Kugel abfingen.
Dort sanken sie erst ein mal beide auf den Boden. Angel lehnte ihren Kopf an die Wand und schloss die Augen. Draußen hörte sie noch immer Schüsse. War die Polizei schon draußen?
»Du hast mich gerettet«, wiederholte der Arzt.
»Ja«, antwortete Angel, drehte ihren Kopf und sah, dass auch er zu ihr blickte. Erneut verlor sie sich in seinen wunderschönen Augen.

Von weiter Entfernung beobachten zwei Männer das ganze Geschehen. Dem Älteren der Beiden behagte nicht, was er da sah. Dem Jüngeren schien es nicht so sehr aufzuregen wie seinen Kollegen. Dieser schien einem Herzinfarkt nahe zu sein. Wenn das für seine Spezies überhaupt möglich war.
»Wenn sie so weiter macht, dann lässt sie uns alle auffliegen«, murrte der Ältere der Beiden.
»Sie ist recht übereifrig«, stimmte der Jüngere zu. Das Mädchen hatte aber auch schon wirklich Glück, dass sie ständig in irgendeine blöde Situation kam.
»Du musst mit ihr reden.«
»Wollten wir nicht erst warten, bis alle vier komplett sind?«, fragte der Jüngere überrascht. »Eigentlich ja. Aber die derzeitige Situation mit ihr drängt dazu, dass wir uns bei ihr schon sofort einmischen. Ihre Aktionen rufen auch unsere Feinde auf den Plan. So lange haben wir es geschafft alles zu verschleiern und uns vor Luzifer zu verstecken. Er wartet doch nur darauf, dass wir einen Fehler machen.« »Du meinst, das hier reicht aus?« »Vielleicht nicht das, aber wenn sie so weiter macht ja. Michael. Rede mit ihr.« »Du bist der Boss, Gabriel«, antwortete Michael und mit diesen Worten verabschiedete er sich von seinem Freund. »Wie konntest du nur so schnell bei mir sein? Du warst doch noch so weit weg«, fragte der Arzt Angel, während er ihre Wunden, die sie sich bei dem Sturz mit ihm zugezogen hatte, versorgte. »Ich bin Cheerleaderin«, war alles, was sie dazu zu sagen hatte. Im Grunde wusste sie selbst nicht, woher sie diese Schnelligkeit genommen hatte, aber wenn sie die Sache mit Jamie betrachtete, dann geschahen im Moment sowieso Dinge, die sie einfach nicht erklären konnte. So sehr sie es auch wollte. »Dass du da gelenkig und vielleicht auch kräftig bist, ja. Aber schnell?«, fragte der Arzt überrascht. »Wir laufen sehr viel. Spezialtraining«, versuchte sich Angel heraus zureden. Dabei lächelte sie ihren Helfer nun an. »Das lasse ich ausnahmsweise so gelten«, meinte dieser lachend, dann strich er ihr eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht hing, hinter ihr Ohr und sah ihr dabei tief in die Augen. »Rider«, stellte er sich dann vor. »Angel.« »Der passt eindeutig zu dir. Du bist mein Engel, der mich beschützt und gerettet hat«, meinte Rider lächelnd. Angel’s Herz begann erneut wie wild zu schlagen. Was stellte er nur mit ihr. Dieses Gefühl hatte sie bisher noch bei keinem einzigen Mann gehabt oder verspürt. »Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort«, stellte sie sachlich fest und versuchte ihr wild pochendes Herz wieder unter Kontrolle zu bekommen. »Und zum Glück dank einem interessanten Cheerleader-Training sehr schnell«, fügte Rider noch hinzu. »Stimmt.« »So. Du bist fertig. Ich denke, du willst wieder in die Schule um nicht zu viel zu verpassen.«, meinte er nach einer längeren Schweigeminute und ließ von Angel ab. »Danke. Sehen wir uns wieder?«, fragte sie dann. Auch wenn sie ihn nicht wirklich kannte, so hoffte sie doch, noch mehr von ihm erfahren zu können. »Das würde mich sehr freuen«, antwortete Rider lächelnd. Schweigend verabschiedeten sich die Beiden von einander. Überrascht blieb Angel stehen, als sie aus dem Krankenhaus getreten war. In einer etwas größeren Distanz stand ein junger Mann. Er hatte dunkle, kurzgeschnittene Haare und ein markantes Gesicht. Ernst blickte er auf sie. Wieso auf sie? Sie kannte ihn nicht einmal. Als er nun auch noch auf sie zu kam, war sie kurz davor zu flüchten. Doch wo sollte sie so schnell hin? Ihren Bruder hatte sie noch nicht angerufen, damit er sie holen konnte und so schnell fuhr kein Bus, um vor ihm jetzt noch zu entkommen. »Angel Summers? Ich tu dir nichts. Ich möchte mich nur unterhalten. Können wir das hier in der Nähe irgendwo ungestört machen?«, fragte der junge Mann, als er bei ihr angekommen hatte. Er hatte eine tiefe Stimme, die ihr eine Gänsehaut bescherte. Kurze Zeit später saßen sie ganz in der Nähe des Krankenhauses in einem Starbucks. Ihr behagte es zwar nicht, mit dem fremden Mann alleine zu sein, doch in einem belebten Cafe schien ihr die Gefahr nicht allzu groß zu sein, als wenn sie sich in irgendeiner dunklen Seitengasse getroffen hätten. »Vielleicht sollte ich mich erst einmal vorstellen. Mein Name ist Michael«, begann nun der junge Mann das Gespräch, nachdem sie längere Zeit schweigend dagesessen hatten. Während sich Angel einen großen Chai Latte bestellt hatte, trank Michael nur einen kleinen Orangensaft. Er konnte sich mit den Getränken hier in der Menschenwelt nicht wirklich anfreunden. Doch manchmal musste er da durch, leider konnte er das nicht ändern. »Ich bin einer der vier Erzengel«, fügte er dann noch schnell hinzu und erntete von Angel einen Blick, der Bände sprach. Vermutlich sah sie ihn schon in einer weißen Jacke und in einem schönen, gemütlichen gepolsterten Raum, in dem er sich ganz alleine davon erzählen konnte, was er war. »Ich weiß es ist verrückt, aber es ist so. Kannst du die Sachen, die heute so geschehen sind, erklären?«, fragte Michael und betrachtete Angel durchdringend. »Die Tatsache, dass ich unter anderem fast einen Menschen getötet hätte? Wenn man zumindest den bösen Zungen in der Schule glauben kann?«, fragte Angel und nahm einen großen Schluck ihres Chai’s. »Du hast ihn umgebracht«, stellte nun Michael gelassen und mit kühler Stimme fest. Angel schluckte. Wollte er sie verarschen? »Bitte?« »Du hast ihm den Tod gewünscht. Schon vergessen?« »Ja, gewünscht, aber ich habe nichts gemacht«, maulte Angel beleidigt. Sie hatte ihn ja nicht einmal angegriffen, wie hätte sie ihn da umbringen sollen? »Unter den Menschen gibt es immer wieder Engel, die sich verstecken, um die Menschen zu beschützen. Manche kommen vom Himmel auf die Erde, manche werden schon als Engel geboren und erhalten ihre Fähigkeiten im Laufe der Zeit. Du bist einer jener, die in diese Welt hineingeboren wurden. Im Moment scheinen deine Kräfte am Entstehen zu sein. Für dich ist noch alles neu und du kannst sie noch nicht kontrollieren. Zum Teil reicht schon einfach nur ein Gedanke, um etwas Geschehen zu lassen. So auch dein Wunsch, dein Schulkollege möge tot umfallen«, erklärte Michael nüchtern. Angel konnte jedoch keine wirkliche Gefühlsregung in seinem Gesicht entdecken. »Und das mit Rider?«, fragte Angel verwirrt. Sollte sie das Ganze nun glauben oder nicht? »Der Arzt? Du hast es dir so sehnlich gewünscht ihn zu retten, dass du eine übernatürliche Geschwindigkeit bekommen hast.« »Also bin ich eine Superheldin?«, fragte Angel nun sichtlich begeistert und klatschte in die Hände. Michael verzog nicht einmal das Gesicht. Konnte der Mann eigentlich auch lachen? »Du bist ein Engel, der eine wichtige Aufgabe hat und ab sofort bin ich dein Boss und du machst genau das, was ich dir sage. Was ganz wichtig ist, sei vorsichtig mit dem, was du dir wünschst. Gerade, wenn viele andere Menschen herum sind. Wir haben recht viele Feinde, die nur darauf warten, dass wir uns selbst enttarnen. Das könnte sowohl für dich als auch für uns sehr gefährlich werden. Lebensgefährlich.« Für das letzte Wort beugte er sich etwas über den Tisch, um es noch mehr bekräftigen zu können. Angel schluckte. Wo war sie da bloß hineingeraten? »Du hast einen ganzen Tag verloren. Ich hab bei meinen Kollegen alles eingesammelt, was heute gemacht wurde. Jetzt heißt es alles nach lernen. Du weißt, wie wichtig es ist, jetzt in der letzten Klasse nicht den Anschluss zu verlieren«, plapperte Cole darauf los, nachdem Angel zu ihm ins Auto gestiegen war. Als Michael, ohne noch ein Wort zu sagen, einfach verschwunden war, hatte sie ihren Bruder angerufen, damit er kam, um sie abzuholen. »Hallo auch«, maulte Angel. Es hätte ihm wirklich keinen Zacken aus der der Krone gebrochen, wenn er sie erst einmal richtig begrüßt hätte oder? »Du hattest heute schon ein Händchen für Katastrophen was?«, fuhr Cole fort, ohne sich von ihr beirren zu lassen. Angel seufzte. Ging das jetzt bis nachhause so? »Tja, sieht ganz so aus«, sagte sie, lehnte ihre Hände ans Fenster und sah hinaus zur Landschaft, die schnell an ihr vorbei huschte. »Sag einmal, wie heißen eigentlich diese Erzengel? Michael, Gabriel,...« Ihr wollte partout nicht die weiteren Namen einfallen. Fein. So gläubig war sie auch nicht, aber bis sie rausfand, wie real es war, was ihr dieser Michael erzählt hatte, musste sie sich wohl oder übel über diese Typen informieren. »Gabriel, Michael, Raphael und Uriel. Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte Cole und sah von der Seite auf seine Schwester. »Ich denke nicht. Weißt du was von Jamie?« »Er ist ganz überraschend wieder zu sich gekommen, obwohl er laut Ärzten tot war. Irgendwie verrückt. Er hatte wohl einen Schutzengel.« »Das kann man wohl sagen«, meinte Angel gedankenverloren. Also hatte Michael wohl doch recht. Konnte es wirklich sein, dass es so etwas wie Engel wirklich gab? Zu viele Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf um sich darüber nun jetzt schon den Kopf zu zerbrechen aber sie wusste, dass sie sich irgendwann stärker damit auseinandersetzen musste.

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