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Donnerstag, 14. Juli 2016

01x01 Ein Engel wird geboren

Hast du dich nicht schon oft gefragt wie Sachen passieren können, die man sich absolut nicht erklären kann? Seid ihr schon einmal in Situationen gekommen, wo ihr euch gedacht habt wirklich einen Schutzengel gehabt zu haben?
Auch wenn wir sie nicht sehen können, so sind sie alle um uns herum. Sie sind da und beschützen uns, wo immer wir auch hingehen. Vielleicht ist es ja sogar deine Freundin oder dein Freund. Deine Mutter, oder deine Oma. Sie wandeln unbemerkt unter uns und schleichen sich in unser Leben. Sie alle haben von Geburt an diese Gabe, die sie in sich tragen, doch bei jedem hat es eine andere Zeitspanne, bis sie endlich ans Licht kommt und ihre Arbeit als Schutzengel beginnt.


Wie immer perfekt gestylte stolzierte Angel in die Schule und sah sich neugierig um. Welches Opfer fand sie heute wieder? Sie war das beliebteste Mädchen an der Schule und fand sich selbst richtig hübsch. Doch sie war da nicht die Einzige. Auch die Anderen fanden dies. Die Jungs lagen ihr zu Füßen und die Mädchen wollten so wie sie sein.
Angel hatte inzwischen ihr Abschlussjahr in der High School erreicht und konnte nicht leugnen, dass sie froh war, wenn sie die Schule endlich hinter sich hatte. Sie war Captain ihres Cheerleader-Teams und genoss ihren Status sehr. Noch war sie Single, doch das ganze Footballteam lag ihr zu Füßen. Sie hätte nur mit den Finger schnippen müssen und jeder hätte sie mit offenen Armen empfangen.
Im Moment gefiel es ihr jedoch besser, einfach den zu nehmen, auf den sie gerade Lust hatte. Für eine Nacht taten sie alle ganz gut. Danach kam der Nächste dran. Es störte keinen der Jungs und solange sie alle mitmachten, war es kein Problem und konnte sie getrost so weiter machen. Sorgen machen musste sich Angel erst, wenn ihre Favoriten nicht mehr mitspielten.
»Da bist du. Ich hab dich schon überall gesucht. Wie bist du denn heute in die Schule gekommen?«, wurde Angel aus ihren Gedanken gerissen. Sie musste nicht lange nachsehen, um wen es sich dabei handelte. Mit einem Lächeln im Gesicht drehte sie sich um und sah in die wunderschönen Augen ihres Bruders Cole.
»Ich bin mit dem Bus gefahren«, gab sie nur zurück und dabei blieb ihr Lächeln bestehen.
»Seit wann lässt du dich so weit herab und fährst mit dem Bus?«, fragte er grinsend. Cole war um drei Jahre älter als sie und studierte Sport. Sie musste nebenbei ein kleines Praktikum machen und er hatte ausgerechnet ihre Schule dafür gewählt. Somit griff er dem Sportlehrer unter die Arme. Gut für ihren Lehrer, schlecht für sie, denn so hatte sie ihren Bruder am Hals. Eigentlich liebte sie ihn ja wirklich und sie verstanden sich sehr gut, aber manchmal konnte er wirklich nerven. So wie im Moment.
»Wie du sicher weißt besitze ich noch kein Auto und ich wusste nicht, dass du heute wieder hier bist«, log Angel schnell. Sie hatte keine Lust mit ihrem Bruder zu diskutieren. Eigentlich wollte sie heute einfach nur einmal Ruhe haben und nicht mit ihm fahren.
Sie war eher der Morgenmuffel und wollte in der Früh einfach nur ihre Ruhe haben. Ihr Bruder hingegen war eher der Frühaufsteher und quasselte sie dann immer ganz gerne voll. Einmal wollte sie nicht seine Quasselei anhören müssen.
»Wir hatten doch gerade erst gestern…«, begann nun Cole, doch Angel hörte gar nicht mehr wirklich zu, drehte sich um und marschierte einfach davon. Sie hatte wirklich keine Lust sich sein Gequassel anzuhören. Sie war, dank des Schulbusses, diesem Redeschwall, auf dem Weg zur Schule, erfolgreich aus dem Weg gegangen, jetzt musste sie sich das hier wirklich nicht anhören.

»Autsch. Hör auf damit«, hörte Angel jemanden schreien, als sie gerade in ihr Klassenzimmer gehen wollte. Wie erstarrt blieb sie stehen und sah sich suchend um. Sie musste sich nicht lange umsehen, bevor sie die Person fand, die hier durch den Gang brüllte. Sarah Barnes. Sie war unter anderem in ihrem Englischkurs. Sie hatte lange blonde Haare und war eher unscheinbar.
Angel hatte nicht viel mit Sarah zutun. Eigentlich kannte sie das Mädchen nur daher, weil sie es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht hatte, in jedem Kurs, den sie gemeinsam hatten, hinter ihr zu sitzen. Vermutlich suchte das junge Mädchen einfach nur nach einer Bezugsperson. Warum jedoch ausgerechnet sie das sein musste, war ihr nicht so klar.
Im Moment wurde sie von Jamie Peters gequält. Der große dicke Junge liebte es, andere Schüler zu quälen und sein heutiges Opfer war, wie es aussah, Sarah.
Angel seufzte. Sollte sie helfen oder nicht? Eigentlich war sie jemand, der dem allen aus dem Weg ging und lieber ihren eigenen Sachen nachhing. Aber ihr tat das Mädchen auch leid und sie war wirklich erpicht darauf ihr zu helfen.
»Hey, Trottel.«, rief sie ihm zu und schon sah der Junge auf, während er das Mädchen festhielt, so dass sie nicht fliehen konnte. So sehr es Sarah auch versuchte, sie konnte sich ihm nicht entreißen. »Was willst du, Schnecke?«, fragte er und ließ sich von ihren Beschimpfungen nicht beirren.
»Lass sie los«, befahl Angel, als müsste er einfach auf sie hören und so sein Opfer frei lassen. Doch Jamie dachte nicht wirklich daran.
»Und was ist, wenn ich es nicht mache?«, fragte er belustigt und sah in Angel’s Richtung. Inzwischen hatte er Sarah am Hals gepackt und drückte sie gegen die Mauer.
»Dann wirst du dir wünschen, mir nie begegnet zu sein«, ermahnte Angel und sah ihn siegessicher an. So schnell würde sie sicher nicht kleinbeigeben, auch wenn die ganze Schule sich um sie versammelt hatte und sie ansah, als hätte sie den Verstand verloren.
»Oh wie niedlich. Meinst du jetzt wirklich, dass ich Angst habe?«, fragte er amüsiert. Ein Blick auf Sarah verriet Angel, dass sie fast keine Luft mehr bekam.
»Jamie. Lass sie los«, bat das Mädchen nun noch einmal zwischen zusammengebissenen Zähnen.
»Angel. Was ist hier los?«, ertönte plötzlich die bekannte Stimme ihres Bruders. Sie seufzte. Wieso musste er immer auftauchen, wenn sie ihn absolut nicht brauchte?
»Nichts. Kannst du dafür sorgen, dass die hier alle verschwinden?«, fragte sie etwas genervt und deutete auf die ganzen Schaulustigen, die ihr eindeutig im Weg waren. Wenn ihr Streberbruder schon da war, konnte er ihr gleich behilflich sein und in diesem Fall den Lehrer heraushängen lassen.
Doch wenn sie gedacht hatte, dass ihr Bruder sich damit abspeisen ließ, dann hatte sie ihn eindeutig falsch eingeschätzt. Ganz im Gegenteil. Als er die Lage erfasst hatte, bäumte er sich vor seiner Schwester auf und versuchte den großen Macker raushängen zu lassen.
»Lass sie los.«, befahl nun er und war sich ganz sicher, dass der Junge bei diesem Machtwort einfach hören musste.
»Sagt wer?«, fragte Jamie erbost.
»Wie du siehst...Ich«, meinte Cole selbstsicher und wich nicht von seinem Standpunkt ab.
»Ich lass mir weder von einem anderen Schüler etwas sagen, noch von einem Lehrer«, maulte Jamie und zeigte Cole eindeutig, dass er sich auch mit ihm prügeln würde, wenn er nicht endlich verstehen würde. Egal ob er nun als Lehrer eine Autoritätsperson war oder nicht.
Nun platzte Angel endgültig der Kragen. Sowohl ihr Bruder als auch Jamie brachten sie fast um ihren Verstand. Sie vergaß ganz die Schülerschar um sich herum. Wie ein wildgewordenes Tier stapfte sie an ihrem Bruder vorbei. Als er nicht weichen wollte, stieß sie ihn kurzer Hand auf die Seite und bäumte sich vor Jamie auf. Neben sich hörte sie, wie einige Schüler die Luft einsogen. Doch es war ihr egal.
»Hör zu. Wenn du sie jetzt nicht sofort loslässt, dann kriegst du mit mir Probleme. Hast du mich verstanden?«, fauchte sie aufgebracht und erntete dafür von Jamie nur ein freches Grinsen.
»Das will ich sehen. Aber hey, dafür lasse ich sie sogar los.«, meinte er, ließ tatsächlich von Sarah ab und bäumte sich nun vor ihr auf. »Und jetzt zeig was du so drauf hast.«
»Angel«, warnte ihr Bruder hinter ihr. Ihr war schon klar, dass es Konsequenzen haben würde, wenn sie sich jetzt mit ihm prügelte, doch sie war zwar gerade angriffslustig aber nicht dumm. Sie wusste sehr wohl, dass sie gegen Jamie keine Chance hatte. Er war groß, breit und stark, während sie klein und zierlich war.
»Weißt du was? Ich wünschte, du würdest tot umfallen«, fauchte Angel, während sie schnell an ihm vorbei huschte und zu Sarah stürzte, um dem am Boden liegenden Mädchen wieder aufzuhelfen.

Eigentlich hatte Angel vermutet, dass sie gleich von hinten gepackt werden würde, doch nichts geschah. Erst ein kläglicher Schrei riss sie aus ihren Gedanken. Als sie sich umdrehte, sah sie noch wie sich Jamie an sein Herz griff und dann wie ein Brett umfiel. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie dem Schauspiel zu. Auch Sarah sah schockiert auf Jamie, der nun reglos am Boden lag.
»Sie hat Jamie getötet«, hörte sie ein Mädchen von der Seite sagen.
»Wie hat sie das gemacht?«, fragte eine andere Schülerin.
»Er hatte sich sicher wegen ihr so aufgeregt, dass er einen Herzinfarkt hatte«, vermutete ein anderer Schüler.
Nur von fern hörte Angel noch die Schüler um sich herum reden und Vermutungen aufzustellen, warum Jamie nun umgefallen war. Um sie herum begann sich alles zu drehen. Hatte sie Jamie umgebracht?
Hatte sie ihn am Gewissen? War sie jetzt eine Mörderin? Ihre Gedanken überschlugen sich. Würde sie jetzt dafür ins Gefängnis wandern?
Hilfesuchend sah sie zu Cole, der hatte jedoch damit zutun, die Schüler nun doch endlich aus dem Weg zu räumen. Doch die Schaulust war zu groß. Sie ließen sich nicht von ihrem Platz vertreiben. Inzwischen waren auch andere Lehrer auf das Ganze aufmerksam geworden und drängten sich durch die Menge.
»Ruft die Rettung«, ertönte die Stimme des Direktors. Dieser ließ sich vor Jamie auf den Boden sinken und versuchte einen Puls zu messen. War er tot?
Schon wieder schossen diverse Gedanken durch Angel’s Kopf. Sie hatte ihm zwar den Tod gewünscht, aber sie hatte es doch nicht ernst gemeint. Wie konnte das nur geschehen?
Vor ihr verschwamm alles und sie hatte das Gefühl, als würden ihre Beine gleich nachgeben. Ihr Geist schien auch nicht mehr wirklich dem ganzen beizuwohnen. Es schien eher so, als wäre nur noch ihr Körper anwesend.
Sie spürte, wie sie jemand von hinten packte. Vermutlich war das der einzige Grund, weshalb sie noch nicht umgekippt war. Cole konnte es nicht sein. Er versuchte noch immer, die ganzen Schüler von Jamie wegzudrängen.
Irgendjemand drückte ihr ein Glas in die Hand. Beklommen sah sie nach unten und registrierte, dass darin Wasser war.
»Trink«, wurde sie aufgefordert. Es war eine Frauenstimme, doch sie konnte nicht wirklich ausmachen, wer mit ihr sprach. Doch Angel tat brav wie ihr geheißen und trank ein paar Schlucke von dem Wasser. Sie schloss die Augen und versuchte, alles um sich herum auszublenden. Sie spürte, wie sie langsam wieder etwas Ruhiger wurde und als sie die Augen wieder öffnete, sah sie alles wieder etwas Klarer.
Inzwischen war die Rettung angelangt und hatte Jamie auf eine Trage gehievt. Ob er noch am Leben war, konnte sie nicht wirklich sagen, sie war sich auch nicht sicher, ob sie es im Moment wissen wollte. Einer der Rettungsleute kam nun auf sie zu.
»Wie geht es dir?«, fragte er sie und betrachtete sie ganz genau.
»Geht schon wieder. War wohl nur der Schock«, wehrte sie ab und wollte sich den Armen entreißen, die sie noch immer festhielten.
»Wir nehmen dich und deine Freundin auch sicherheitshalber mit ins Krankenhaus. Einfach nur zum Durchchecken«, meinte der Sanitäter freundlich und hielt Angel die Hand hin, doch diese wehrte sie ab. »Mir geht es doch gut. Mir fehlt nichts«, maulte sie. Doch der Sanitäter ließ sich davon nicht beirren. Er nahm sie, hob sie hoch und warf sie wie einen Sack über seine Schulter. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie auch Sarah mit einem der Sanitäter mitging. Sie hatte er wohl mit ihrer Freundin gemeint.
»Cole«, jammerte sie, als sie mit dem Sanitäter an ihm vorbei kam, doch er kam ihr nicht zu Hilfe.
»Wir sprechen uns noch«, fauchte er sauer. Das war jedoch alles, was er dazu zu sagen hatte, vom Griff befreite er sie nicht. Also ergab sie sich ihrem Schicksal und ließ sich von dem Sanitäter aus der Schule tragen. Immerhin blieb ihr Mathe erspart.

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